Das Haus ist leer
Kusen von Roland Yuno Rech – Sesshin Grube Louise, Mai 2015
Anstatt während Zazen euren Gedanken zu folgen, konzentriert euch eher auf die Atmung. Wenn ihr ausatmet, atmet ganz aus. Habt ihr bis zum Ende ausgeatmet, geschieht die Einatmung unbewusst und natürlich.
Wer sich auf die Ausatmung konzentriert und seine ganze Energie auf das Hara richtet, kann ganz natürlich jedes Objekt der Anhaftung aufgeben und alle Gedanken vorbeiziehen lassen. Das Gleiche gilt für Kinhin, indem wir uns völlig auf das Gehen konzentrieren, oder für das Samu, indem wir uns ganz auf das Gemüseschneiden konzentrieren. Wenn wir uns von jeder Tätigkeit, die wir tun, absorbieren lassen, können wir in der Handlung selbst alles aufgeben, das heißt jede andere Beschäftigung, jeden anderen Gedanken aufgeben und so einen völlig freien und verfügbaren Geist wiederfinden. Im Allgemeinen ist unser Geist viel zu sehr von Gedanken und Objekten, denen wir anhaften, überfüllt.
Meister Sekito hatte geschrieben: „Ich habe eine Strohhütte errichtet, in der es keinen wertvollen Gegenstand gibt. Ist meine Mahlzeit beendet, bereite ich mich in aller Ruhe darauf vor zu schlafen.“ Wer jede Tätigkeit ganz beendet, kann die vollständige Ruhe wiederfinden. Nichts fehlt und nichts ist zu viel.
Einige praktizieren Zazen und warten auf Erleuchtung, auf Satori. Meister Kodo Sawaki sagte: „Das Satori ist wie ein Dieb, der in ein leeres Haus eindringt. Er glaubt, einen Schatz gefunden zu haben. Er hat Anstrengungen unternommen, um in das Haus einzudringen. Er ist Risiken eingegangen. Letztlich entdeckt er, dass es nichts gibt, nichts zu lernen, nichts zu ergreifen. Anstatt es zu bedauern, realisiert er auf einmal, dass er von jeder Angst befreit ist.“
Wenn man während Zazen die rechte Sichtweise praktiziert und sich selbst beobachtet, entdeckt man, dass man selbst nicht greifbar ist. Ist mein Ego mein Körper? Aber mein Körper gehört mir nicht. Er gehört zum ganzen Universum, zur kosmischen Energie. Er hängt ab von der Luft, die er atmet, und von der Nahrung, die er aufnimmt. Hört man auf zu atmen, stirbt der Körper schnell.
Bin ich meine Gedanken? Die Gedanken ändern sich ständig, selbst die Gedanken, die mich selbst betreffen. Je nach Situation, je nachdem in welcher Wechselbeziehung ich mich befinde, ändert sich mein Ego. Auch die Gefühle, die Wünsche ändern sich.
Ist mein Ego also mein Bewusstsein? Aber mein Bewusstsein reflektiert nur die sich verändernden Phänomene. Ohne Objekt kein Bewusstsein.
Kannon drückt dies zu Beginn des Hannya Shingyo aus. Wenn man sho ken, die rechte Beobachtung praktiziert, entdeckt man, dass alle Elemente, die fünf Skandha, aus denen man besteht, nur Leerheit sind.
Das Haus ist leer. Damit verschwinden alle Hindernisse und alle Ursachen von Angst. Man kann über jedes Objekt der Anhaftung hinausgehen und den wahren Frieden des Geistes, das Nirvana realisieren über all unsere geistigen Konstrukte hinaus, und noch darüber hinaus.
Ist meine Mahlzeit beendet, kann ich mich ausruhen. Die Mahlzeit ist beendet bedeutet, völlig eins mit der Mahlzeit zu sein, so wie wir während Zazen völlig eins mit der Praxis sind. Keine Trennung zwischen beidem, kein Objekt, kein Ego, nichts zu ergreifen. Völlige Freiheit.
Bin ich müde, lege ich mich schlafen. Das bedeutet, völlig der kosmischen Ordnung zu folgen. Wer sich auf jede Praxis konzentriert, kann jede Praxis vollständig beenden. Nichts fehlt. Die Verwirklichung des Erwachens ist bereits in der Praxis selbst. Wenn wir das verstehen, können wir wirklich frei praktizieren ohne irgendetwas zu erwarten. Jeder Moment der Praxis wird zu einem Moment des Erwachens, der Verwirklichung. Wenn wir nach nichts suchen, öffnet sich unsere Schatzkammer ganz von selbst. Denn alles ist bereits da.
Tags: Roland Yuno Rech