Mit einem mushotoku-Geist
Kusen von Roland Yuno Rech – Moissac, Oktober 2020
Begnügt euch beim Zazen damit, euch auf eure Körperhaltung zu konzentrieren und ruhig zu atmen. Meister Keizan sagte: «Wenn man Zazen praktiziert, kümmert man sich weder um Buddha noch um die Welt, ohne zu bejahen noch zu negieren, weder gut noch schlecht. Was gilt es zu meiden oder zu unterbinden?». Mit anderen Worten: Man gibt den Modus auf, in dem unser Geist im Alltag funktioniert. Man lässt seine Alltagssorgen, jegliches Bevorzugen und Ablehnen los. In diesem Sinne ist Zazen eine enorme Befreiung.
Die Zazen-Praxis hat nichts Einschränkendes, es ist nicht der Versuch, sich einer Religion oder Ideologie unterzuordnen. Versucht nicht, Buddha zu werden, auch wenn die Zazen-Praxis die Praxis Buddhas ist, d.h. die Praxis des Erwachens ist. Das Erwachen geschieht von selbst, ohne dass man es anstrebt, ohne dass man daran denkt, nicht als Ereignis, sondern als eine Daseinsform, eine Art zu funktionieren, zu denken ohne zu denken, d.h. ohne seinen Gedanken anzuhaften. Man vergisst alles, was man an Wissen gesammelt hat. Auch wenn es zahlreiche Dharmalehren zu studieren gibt und die zu studieren sich lohnt, so beruhen alle doch nur auf der Weisheit, die aus Zazen kommt. Aber daran denkt man während Zazen nicht.
Meister Dogen hat nie von Zen gesprochen, sondern immer vom Buddhaweg, d.h. vom Weg des Erwachens. Und was Meister Deshimaru betrifft, so hat er uns oft daran erinnert, dass Zazen das neue und frische Leben ist, das in jedem Moment aus unserer Praxis quillt, ohne dass wir versuchen, irgendetwas zu imitieren. Wenn wir versuchen, durch unsere Praxis irgendeinem Ideal zu entsprechen, so hindert uns das daran, uns wahrhaftig zu befreien. Solange man nicht daran denkt und man sich einfach nur auf das Praktizieren mit dem Körper in Einheit mit der Atmung konzentriert, ohne zu versuchen, etwas zu erreichen oder etwas zu unterbinden, so kommt das Erwachen ganz von allein. Das ist eine große Befreiung.
Und deshalb ist es wichtig, mushotoku zu sein, ohne Begierde, ohne Objekt. Natürlich braucht man Motivation um regelmäßig Zazen zu praktizieren, um an Sesshins teilzunehmen, man braucht also ein Objekt, einen Wunsch, das Ziel, zu wahrem Leben zu erwachen, zum Leben in Harmonie mit unserer wahren Natur und dazu, Illusionen, die Leiden verursachen, aufzugeben. Mit dieser Motivation kommen wir aufs Sesshin und setzen uns auf unser Zafu. Und wenn wir einmal sitzen, ist die Motivation vergessen, wir denken nicht mehr an sie.
Wenn man es recht bedenkt, könnte man sagen, dass die Empfehlung, mit mushotoku-Geist zu praktizieren, übermenschliche Fähigkeiten voraussetzt oder schlicht unmöglich ist. Immer ist Motivation, Wunsch im Spiel, und es ist paradox mushotoku sein zu wollen. Es kann sogar das Praktizieren erschweren, wenn man sich Schuldvorwürfe macht, nicht mushotoku zu sein. Da man nie ganz frei von Hintergedanken ist, ist es das beste, diese bescheiden zu akzeptieren. Erst wenn wir sie akzeptieren, können wir loslassen. Nicht zu idealistisch sein.
In den großen Lehren des Zazen wird das auf Japanisch bonno soku bodai genannt, was bedeutet, dass sich unsere bonno, unsere Anhaftungen und Illusionen, in Erwachen verwandeln. Und das ist möglich, weil unsere bonno, unsere Anhaftungen, von Grund auf leer, substanzlos sind. Sie gehören nicht zu unserer wahren Natur, sondern sind eher wie Wolken, die regelmäßig über den Himmel ziehen und unseren Blick trüben. All das kann man in Zazen aufgeben, loslassen, wenn man sich auf seine Haltung und Atmung konzentriert und die Hände öffnet, um nichts zu ergreifen. Schließlich weist die Einsicht, dass wir nicht mushotoku sind, in die richtige Richtung.
Meister Deshimaru hat auf Kyosaku oft « maku mozo » kalligrafiert, "Lasst euch nicht täuschen". Das Akzeptieren der Tatsache, nicht mushotoku zu sein, ist ein großer Schritt vorwärts in Richtung Befreiung, die darin besteht, weder alltäglichen noch spirituellen Illusionen anzuhaften, wie es im Mantra des Hannya Shingyo ausgedrückt wird : gya tei, gya tei, hara gya tei, hara so gya tei, boji sowaka. Zusammen immer weiter und ganz hinüber gehen auf dem Weg zum Nirwana, d.h. zum großen Frieden des Geistes.
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