Das Verständnis durch den Körper
Mondo mit Roland Yuno Rech – Sesshin in Moissac, November 2018
Frage: Wie manifestiert sich das tiefe Verständnis im Körper? Tiefes Verständnis bedeutet, dass man seine wahre Natur versteht, und seine wahre Natur ist unfassbar. Die Reise ist also ewig, denn man wird nie wissen, ob man das Verständnis hat, man erreicht nie ein Ende!
Antwort: Nein! Im Gegenteil, das Verständnis ist unmittelbar! Es ist das Verständnis von Leerheit. Es ist das Verständnis vom Hannya Shingyo: Alle Phänomene sind Leerheit. Damit wird jede Form von Anhaftung beendet.
Es bedarf der Konzentration, damit diese blitzschnelle Intuition der Leerheit nicht ein rein intellektuelles Konzept bleibt. Für mich ist dies ein sehr wichtiges Thema. Um dem, was wir verstanden haben, treu zu bleiben, um dieses Verständnis nicht zu verraten und nicht zwischen einem Geist, der bestimmte Dinge versteht, und einem Körper, der anders handelt, zerrieben zu werden, braucht man wirklich ein Verständnis durch den Körper. Es ist das Verständnis von Zazen. Leerheit wird zum Beispiel nicht einfach als Konzept verstanden, sondern im Innern durch den Körper gelebt, im Zazen.
F.: Ich war vielleicht ein wenig vor diesem Verständnis von Leerheit und dieser Einheit, der völligen Gegenwärtigkeit in Kopf und Körper stehengeblieben.
A.: Die völlige Gegenwärtigkeit nennen wir zanshin. Man konzentriert sich bis zum Ende der Handlung. Es ist wichtig, in unserem Handeln diese völlige Gegenwärtigkeit und Aufmerksamkeit zu haben und sie bis zum Ende der Handlung aufrechtzuerhalten. Aber mit dem anderen Aspekt ist anders, da handelt es sich nicht um zanshin!
F.: Wir sagen oft: „Wenn wir essen, essen wir“. In diesem Moment sind Körper und Geist vereint und eins mit dem, was wir tun. Geht es bei der Verwirklichung mit dem Körper darum?
A.: Ja, aber zanshin, es ist mehr eine Frage der Aufmerksamkeit. Es geht darum, bis zum Ende aufmerksam auf seine Bewegung zu bleiben. Wir nehmen für zanshin immer das Beispiel, eine Tür mit dem Türgriff zu schließen. Man schlägt die Tür nicht zu, man benutzt den Türgriff und schließt sie. Man führt die Bewegung bis zum Ende aus. Bei der Kalligraphie ziehst du eine Linie bis zum Ende. Wir bleiben also auf das, was wir tun, bis zum Ende konzentriert. Zanshin ist eine Praxis der Aufmerksamkeit.
Die Aufmerksamkeit auf seine Bewegungen fördert offensichtlich die Einheit von Körper und Geist und damit das tiefe Verständnis. Wer zanshin ist, ist nicht abgelenkt, denn es bedeutet, dass Körper und Geist in Harmonie funktionieren müssen, was natürlich zu einem tiefen Verständnis beiträgt. Aber dennoch ist es ein anderer Bereich. Zanshin ist der Bereich des Handelns, nicht der Bereich der Weisheit.
Ich habe über Weisheit gesprochen, über ein Verständnis, bei dem wir nicht nur mit dem oberflächlichen Teil unseres Gehirns verstehen, mit dem Intellekt, der uns viele Dinge sehr schnell verstehen lässt. „Mit dem Körper“ bedeutet auch mit dem Unbewussten, das körperlich ist, das heißt etwas wirklich aus den Tiefen seines Wesens zu verstehen, so dass es keinen inneren Widerstand mehr gibt, dem zu folgen, was man verstanden hat.
Zum Beispiel kann man verstehen, dass es völlig absurd ist, egozentrisch zu sein, denn unser Ego ist nicht das Zentrum der Welt. Man kann es erklären. Aber selbst wenn man es verstanden hat, hindert es einen nicht daran, kaum, dass man sich umgedreht hat, eine rein egozentrische Reaktion zu zeigen. In diesem Moment denkt man nicht einmal nach! Es ist fast eine Konditionierung. Wir sind durch jahrzehntelanges, egozentrisches Verhalten konditioniert. Um uns davon zu befreien und dieses Verhalten loszulassen, brauchen wir wirklich eine Revolution, die nicht nur intellektuelles Verständnis beinhaltet, das leicht zu erlangen ist, sondern ein tiefes Verständnis, das den Körper und damit auch das Unbewusste verbindet.
Alle Mechanismen lassen uns manchmal impulsiv, automatisch und konditioniert handeln und berücksichtigen die Weisheit, die wir glauben erlangt zu haben, überhaupt nicht. Folglich wird sie nicht beachtet und funktioniert nicht mehr. Für mich ist dies ein sehr wichtiges Problem.
Wir sprechen viel über Bonno, das heißt, über Leidenschaften und schließlich Anhaftungen, die Leiden verursachen. Aber ich stelle fest, dass es einen anderen Bereich gibt, über den wir nicht ausreichend sprechen, über Gewohnheiten, Konditionierungen. Sehr oft machen wir Fehler, einfach weil wir konditioniert sind, auf diese oder jene Weise zu reagieren. Es ist nicht einmal so sehr eine Leidenschaft, die uns dazu bringt, so zu handeln, es ist eine Gewohnheit. Daher ist es auch sehr wichtig, seine Gewohnheiten zu ändern.
Das bedeutet, wachsam zu sein und zu verstehen, was uns zum Handeln bewegt. Wir müssen jedes Mal, in jeder Situation einen neuen Geist wiederfinden und nicht nur auf übliche Weise reagieren. die nicht unbedingt gut ist. Sie ist durch unser Karma, durch alle möglichen Dinge konditioniert.
Daher hat das Klosterleben im Zen einen großen Wert, obwohl ich mich nicht so sehr für Klöster interessiere. Den ganzen Tag lang mit Körper und Geist in Einheit zu praktizieren, wie wir es auch auf einem Sesshin tun, wird im Klosterleben gefördert. Es ist also eine große Hilfe, seine Konditionierungen loszulassen und andere Gewohnheiten zu entwickeln. Zum Beispiel ist die Art und Weise, wie wir am Tisch essen, anders als im Restaurant, eine neue Form der Gewohnheit.
Es ist daher wichtig, unsere Gewohnheiten zu ändern. Andernfalls können wir nicht in Harmonie mit dem leben, was wir verstanden haben, und sind daher uneins.
Hierbei handelt es sich um ein sehr altes Problem. Berühmte Philosophen wie Leibnitz sagten: „Ich weiß, was richtig ist, und tue, was falsch ist!“ Es ist ein Geständnis. Ich habe viel nachgedacht, ich weiß, was richtig ist, und tue das Falsche. Nicht immer, aber sehr oft. Das passiert uns allen! Und ich denke, das ist etwas, das wir wirklich angehen müssen. Dafür ist es notwendig, gute Gewohnheiten zu entwickeln und oft auf Sesshins zu gehen.
Nur gute Gewohnheiten reichen auch nicht aus, man muss auch verstehen. Wir brauchen beides! Es ist immer das Gleiche. Wir brauchen beides: Konzentration und Verständnis.
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