Das Zweite der grossen Gelübte des Bodhisattva
Teisho von Roland Yuno Rech - La Gendronnière, August 2007
Das zweite der Vier Großen Gelübde des Bodhisattva ist bonno mujin seigandan :
„So zahlreich die bonno auch sein mögen, ich gelobe sie alle aufzulösen.“
Was ist ein bonno? Bonno ist das, was den Geist trübt, was Leiden schafft. Man kann sagen, dass die bonno an der Wurzel des Dharma Buddhas sind. Alle Unterweisungen Buddhas entstanden aus dem Wunsch heraus, das menschliche Leiden aufzulösen. Man kann sagen, dass die Unterweisung der Vier Edlen Wahrheiten völlig auf die Lösung der bonno, der Leidensursachen, zentriert ist.
In diesem Teisho werde ich so vorgehen, wie es Shakyamuni selbst oft getan hat: das Problem identifizieren, die Ursache untersuchen, sehen, ob eine Lösung möglich ist und die möglichen Abhilfen beschreiben.
WELCHE BONNO GIBT ES?
Bonno sind zahlreich. Wenn man in Zazen sitzt, sieht man seine Illusionen in großer Zahl vorbeiziehen. Im Alltag nehmen wir sie weniger oft wahr, ganz einfach weil wir mitten in ihnen leben. Wir lassen uns von bonno mitziehen und realisieren nicht einmal, dass wir von einer Illusion, von einer Anhaftung gepackt sind. Man nimmt dies erst später wahr, wenn das Leiden eintritt. Dann stellt man fest, dass es wirklich ein bonno war.
Es gibt einhundertacht bonno, von denen man zehn „grundlegend“ nennt. Ich werde sie euch jetzt vorstellen.
Zuerst gibt es alles, was mit Begierde, Verlangen, Gier zusammenhängt, das heißt, Verlangen nach etwas, das für uns ein Objekt der Befriedigung zu sein scheint. An diesem Punkt muss man einen Unterschied zu den natürlichen Bedürfnissen machen. Wir sind Lebewesen, fühlende Wesen, wechselseitig abhängig von der Umgebung und daher nicht autark, was bedeutet, dass wir natürliche Bedürfnisse haben, uns zu ernähren, uns zu kleiden, uns vor schlechtem Wetter zu schützen. Wir benötigen auch eine gewisse Anerkennung von anderen und auch eine gefühlsmäßige Anerkennung. Diese Bedürfnisse sind natürlich und gehören zum Leben. Die Notwendigkeit, essen zu müssen oder ein Dach zu brauchen, um sich zu schützen, kein ist natürlich kein bonno. Aber diese natürlichen Bedürfnisse werden von allen möglicheb bonno überlagert. Zum Nahrungsbedürfnis kommt zum Beispiel die Naschhaftigkeit hinzu, ein kleines bonno, das sich in Gier verwandeln kann. Die Nahrung wird zu einem Mittel, um einen Mangel auszugleichen, oft einen gefühlsmäßigen Mangel. Sobald man sich frustriert fühlt, isst man ein Stück Schokolade. Sogar beim Sesshin in der Gendronnière werden in der Boutique Süßigkeiten an Praktizierende verkauft, die sich während Zazen gedulden mussten, da sie Schmerzen in den Knien hatten und eine Aufmunterung brauchen. Das kann zu einem bonno werden, denn man zerstört seine Gesundheit.
Dieses Verlangen, einen Mangel jenseits der natürlichen Bedürfnisse auszugleichen, hindert uns daran, uns eines grundlegenderen Mangels bewusst zu werden, als die Suche nach Vergnügen oder Bequemlichkeit.
Das wichtigste bonno ist die Gier, die an der Basis der Gesellschaft ist, in der wir leben. Das Grundthema dieses teisho ist, dass die Gier an einem grundlegenden, unerkannten Mangel gebunden ist: der Mangel an spiritueller Verwirklichung. Selbst wenn wir gierig alle Arten von Objekten der Befriedigung anhäufen, wir werden niemals befriedigt sein, wenn wir das Erwachen zur wahren Dimension unserer Existenz verfehlen, wenn wir das verfehlen, was diesem Leben einen Sinn geben kann, ganz gleich was man erhält.
Ihr seht bereits, dass die grundlegende Abhilfe bei allen bonno das Erwachen ist. Dies ist der Sinn des Satzes bonno soku bodai, der so übersetzt werden könnte: Die bonno sind unmittelbar Satori, das Erwachen. Wir kommen später noch zur Gleichsetzung von bonno und Satori. Es ist der Ausgangspunkt zum Erwachen.
Das zweite bonno ist der Hass oder, ohne so weit zu gehen, der Trieb, die Regung, das abzulehnen, was man nicht mag: die Wut, die Ungeduld, alles was unser Ego äußert, wenn es nicht zufrieden ist, indem es sich von dem entfernen möchte, was ihm missfällt. Dies deckt auch verbale Kritik ab, Beleidigungen, das Karma der Worte, die körperliche Gewalt und so weiter.
Das dritte bonno ist die Unwissenheit, die Verblendung. Es gibt alle Arten von Unwissenheit. Die erste ist, sich selbst nicht zu kennen. Wenn man sich selbst nicht kennt, das heißt, wenn man seine eigenen bonno nicht kennt, wenn man nicht erkennt, auf welche Weise die bonno einen antreiben und mitreißen, hat man keine Chance, mit ihnen fertig zu werden.
Zur Unwissenheit gehört auch, die wahre Natur unserer Existenz zu ignorieren, nicht zu erkennen, dass wir bereits eigentlich Buddha sind. Wir sind bereits diese Buddha-Natur, und wenn wir dies nicht erkennen, sind wir wie verirrt. Unwissenheit bedeutet, wie ein Phantom durch das Leben zu irren, indem man manchmal glaubt, das gefunden zu haben, von dem man annimmt, es wäre der Sinn seines Lebens, wo es sich doch einfach um ein augenblickliches Verlangen handelt, das mehr oder weniger lange andauert. Aber man verirrt sich nur noch weiter.
Das vierte bonno ist der Hochmut, alles was aus übermäßiger Selbstliebe, aus seinem eigenen Bild hervorkommt: Die Quelle des Hochmuts ist die Anhaftung am Ego.
All diese bonno sind voneinander abhängig. Die Unwissenheit bringt die Anhaftung ans Ego mit sich, die Anhaftung ans Ego regt das Verlangen, die Gier an und führt zum Hass auf alles, was stört.
Die folgenden bonno beziehen sich auf falsche Ansichten und auf alles, was daraus entsteht. Für Buddha war die grundlegende irrige Ansicht der Glaube an ein substanzielles Ego, dem atman, der als Basis für die Anhaftung an das kleine Ego dient.
Buddha kritisierte oft andere falsche Ansichten, wie den Glauben an die Ewigkeit des eigenen Egos oder die Vernichtung dieses Egos nach dem Tod. Für Dogen wie für Buddha hielt diese Art von Glauben vom Betreten des Weges ab, weil mit ihnen das Karma-Gesetz verleugnet wurde. Und mit ihnen wurde der Weg der Mitte verleugnet, wo es weder Ewigkeit noch Vernichtung gibt, sondern das Treiben ins samsara, der Verkettung an den Kreis der zwölf wechselseitig abhängigen Ursachen. Verleugnen gehört auch zu den bonno, verleugnen ist eine der schwerwiegenden Leidensursachen, die einen davon abhalten, sich zu befreien.
Eine andere falsche Ansicht ist der Glaube an das Heil durch Riten. Zu Buddhas Zeiten behaupteten die Brahmanen, ihre „Kunden“ mit ihren rituellen Handlungen aus dem Kreislauf des Leidens befreien zu können. Buddhas Lehre zufolge steht dieser Glaube der Befreiung im Weg.
Unter den spekulativen intellektuellen Ansichten findet man auch den Wunsch, gewisse ekstatische Zustände zu realisieren. Einige Zazen-Übende haben ein derartiges bonno und suchen in der Zazen-Praxis einen besonderen Zustand.
Ein anderes bonno ist die Skepsis, die den Zweifel aufrecht hält und wahren Einsatz verhindert. Es handelt sich nicht um den heilsamen Zweifel, der dazu führt, dass man sich Fragen über Wahrheit oder Irrtum stellt, was positiv ist und ermöglicht, sein Verständnis zu vertiefen. Der Zweifel wird zu einem bonno, wenn man die Dharma-Lehre systematisch in Frage stellt; er führt dazu, dass man sich davon abhält, sich in der Praxis zu engagieren.
Eine dieser Zweifel betrifft die Möglichkeit, sich zu befreien. Es handelt sich um den Fatalismus, einem großen bonno, wenn man zum Beispiel sagt „das ist mein Karma, so ist es nun einmal, da kann man nichts machen.“ Alkoholiker oder Menschen, die von giftigen Substanzen abhängig sind, denken so. Dieser Zweifel hält einen in einem Teufelskreis, in dem man sich verdammt, da nicht herauskommen zu können, weil man an einer möglichen Lösung zweifelt.
Faulheit ist ein anderes bonno. Zum Beispiel für jemanden, der morgens nie aufstehen kann, um zum Zazen zu kommen, ist sie ein wahres bonno.
Auch die Sinnesunruhe gehört dazu, immer auf der Lauer nach dem, was uns befriedigen könnte. Der Mangel an Schamgefühl und an moralischem Bewusstsein ist noch ein anders bonno. Es gibt zehn so genannte Haupt-bonno, aber klammern wir uns nicht an ihre Anzahl, die ist unendlich.
DIE URSACHEN DER BONNO
Jeden Tag singen wir während der Zeremonie, dass wir diese bonno auflösen wollen. Wir müssen also ihre vielfachen Ursachen verstehen. Genau das tat Buddha an dem Tag, an dem er erwachte.
Die grundlegende Ursache ist geboren worden zu sein. Ausgehend von der Geburt entwickelt sich ein Körper mit Sinnesorganen, die mit Objekten in Berührung kommen, woraus angenehme oder unangenehme Empfindungen entstehen. Diese führen zu Begierden, die zu Anhaftungen führen, die zum Wunsch führen, sein Leben in einem späteren Leben zu verlängern, um weiter diese Wunschobjekte zu verfolgen, daher eine neue Geburt, usw.
Kurz gesagt, es handelt sich um die Kette der zwölf innen. Buddha, der wie Cioran hätte sagen können: „Es ist ein Nachteil, geboren worden zu sein“, wollte die Nicht-Geburt realisieren. Im Mahayana-Buddhismus geht es im Verständnis der Unterweisung Buddhas nicht darum, in diesem Leben nicht mehr wiedergeboren zu werden, sondern darum, die Nicht-Geburt unseres Egos und die Befreiung in der Welt der Phänomene zu verwirklichen. Wir geloben, ständig in dieser Welt der Phänomene wiedergeboren zu werden, nicht wegen unserer bonno, sondern dank des ersten Bodhisattva-Gelübdes, shujo muhen seigando, das Gelübde, allen Wesen zu retten. Ist dieses Gelübde ein bonno? Schon möglich, da es dem Ego schmeicheln kann, derjenige zu sein, der die Fähigkeit hat zu helfen und zu retten. Man könnte von sich selbst überzeugt sein. Selbst ein Meister mit vielen Schülern kann in diese Art von Illusion fallen.
Welches sind die anderen bonno-Ursachen? Abgesehen vom Nicht-Erwachen wird eine grundlegende Ursache von der Saat des vergangenen Karmas gebildet.
In der Schule des Bewusstseins, dem Vijnanavada, sagt man, dass das Bewusstsein des Menschen durchtränkt ist von den Samen des vergangenen Karmas, auf einer mehr oder weniger unbewussten Ebene. Wenn die Samen keimen, bekommen wir den Eindruck, auf Phänomene zu treffen. Denkt man dann, dass die Ursache der bonno das vergangene Karma ist und dass man nicht umkehren kann, könnte eine fatalistische Sichtweise entstehen. Aber in der Unterweisung Buddhas kann das vergangene Karma geheilt werden. Natürlich wird es Auswirkungen erzeugen, aber diese können durch Reue verringert werden, die eine fundamentale Praxis im Buddhismus ist. Reue hat nichts mit Schuld zu tun, was ein bonno ist, das Hass in einem entstehen lässt. Indem man im Gegenteil seine vergangenen Fehler bekennt, nimmt man sich vor, sie nicht zu wiederholen. Es ist ein Signal des Wohlwollens sich selbst gegenüber. Bereuen heißt, kein schlechtes Karma mehr erzeugen zu wollen.
Eine andere Ursache der bonno ist die Verblendung. Wir haben darüber im Zusammenhang mit den zwölf innen und auch im Vergleich zur Anhaftung ans Ego gesprochen. Ihr seht, dass die Ursachen der bonno selbst bonno sind. Der Prozess hält sich selber in Gang.
DIE MITTEL GEGEN BONNO
Bevor ich zum wichtigen Punkt der Abhilfe komme, stellen wir uns die Frage: Muss man die bonno wirklich heilen?
Ich möchte an das Mondo erinnern zwischen Nyojo und dem jungen Dogen, der mit sechsundzwanzig Jahren in China bei Nyojo verweilte.
Dogen hatte gefragt, was shin jin datsu raku bedeute, Körper und Geist aufgegeben. Nyojo hatte geantwortet: „Das bedeutet, völlig in der Zazen-Praxis konzentriert zu sein. In diesem Moment sind die fünf Begierden und die fünf Hindernisse, also die zehn bonno, aufgelöst.“
Dogen merkt an: „Wenn ihr das so sagt, unterweist ihr da nicht das Hinayana, das Kleine Fahrzeug? Ich habe doch von bonno soku bodai gehört: die bonno sind das Erwachen.“
Nyojos Antwort ist für mich essenziell und lenkt meine Art und Weise, den Weg praktizieren und unterweisen zu wollen: „Ein Schüler Buddhas darf keine von Buddhas Unterweisungen vernachlässigen. Man darf keine Kategorien erzeugen zwischen Kleinem und Großen Fahrzeug.“
Nyojo betont: „Derjenige, der auch nur ein einziges bonno aufgibt, eine einzige Anhaftung, begegnet Buddha von Angesicht zu Angesicht.“ Der Moment des Loslassens eines bonno ist ein Moment des Erwachens.
Dogen sagte später im Genjo Koan: „Einfache Menschen machen sich Illusionen über das Erwachen, die Buddhas erhellen ihre Illusionen.“ Das bedeutet, das Erhellen seiner Illusionen ist eins der grundlegenden Heilmittel. Wenn man nicht sieht, bis zu welchem Punkt man sich etwas vormacht, hat man keine Chance sich zu befreien. Von dem Moment an, an dem man im Zazen diese bonno und Illusionen vorbeiziehen sieht und man sie durch das hishiryo-Bewusstsein von Zazen, einem Bewusstsein, das nicht anhaftet, erhellen lässt, reicht dieser Zazen-Blick auf die bonno aus, um sie zu läutern. Das ist ein großartiges Heilmittel. Erkennt man ein bonno als solches, hat man die Hälfte des Weges hinter sich, um sich von ihm zu befreien. Die meiste Zeit erkennt man die bonno nicht, man sieht sie als normale Leidenschaften im Leben an. Wir neigen dazu, unsere bonno zu rechtfertigen, indem wir glauben, dass sie Würze ins Leben bringen. Indem man das bonno erkennt, erkennt man das Leiden, und auch das Nicht-Erwachen, das sich daraus ergibt. Man sieht die Gefahr, das Wesentliche im Leben zu verfehlen, indem man seine Zeit damit verliert, alle möglichen bonno zu verfolgen, und dann versteht man, dass dies das größte Leiden ist. Ich glaube, ich würde sehr darunter leiden, wenn ich mir im Angesicht des Todes sagen müsste, dass ich mich völlig geirrt, dass ich das Wesentliche verpasst hätte.Es gibt zwei Methoden, um bonno zu heilen: Konzentration und Beobachtung. Man muss sie vertiefen bis zur Beobachtung ihrer Leerheit, der Leerheit unseres Egos als Erzeuger der bonno und der Leerheit der Objekte der Befriedigung, die man verfolgt. So wird die Anziehungskraft des Prozesses: bonno, Anhaftung, Karma, usw. verringert.
Meister Deshimaru sagte immer: „Im Buddhismus des Großen Fahrzeugs ist das Mittel gegen bonno die Verwirklichung von ku, der Leerheit. Wenn wir jeden Tag das Hannya Shingyo singen, rezitieren wir den Schlüsselsatz: Wenn der Bodhisattva shoken praktiziert, die rechte Beobachtung, sieht er klar, dass die fünf Seinsbestandteile Leerheit sind.“ Das ist das grundlegende Heilmittel. Die Zen-Meister haben dieses Mittel oft benutzt.
Eines Tages sagte Eka zu Bodhidharma, dass sein Geist nicht in Frieden sei, dass er sehr leide. Er bat ihn um Hilfe, um seinen Geist zu befrieden, das heißt, ihn von bonno zu befreien. Bodhidharma antwortete: „Zeige mir deinen Geist, und ich werden ihn befrieden.“ Eka erkannte schließlich, dass sein Geist nicht fassbat war. Bodhidharma sagte daraufhin: „Wenn du wirklich shin fuka toku, der Geist ist nicht fassbar, verwirklicht hast, ist dein Geist bereits in Frieden.“
Zazen praktizieren heißt, damit vertraut zu werden. Ein anderes Beispiel ist die Frage von Eno an Nangaku „Was ist das?“ Wer realisiert, dass der Geist nicht fassbar ist, realisiert die Leerheit. Dies führt zur Verwirklichung der Buddha-Natur und der Befreiung.
Seltsamerweise erwachen dadurch nur wenige Menschen. Ich glaube, dass alle Angst vor der Leerheit haben, weil sie sich über den Sinn der Leerheit täuschen. Man hat Angst vor dem Nichts. Aber die Leerheit ist nicht das Nichts. Aufgrund dieses Irrtums gelingt es einem nicht diese Dimension von ku zu durchdringen. Im Zazen zum Beispiel hört man nicht auf, seine Gedanken wiederzukäuen. Man tut alles, um nicht die Leerheit dieser Grübeleien zu sehen. Man beschäftigt den Geist, um nicht zu sehen. Ich rate euch, selbst nur kurz die Erfahrung zu machen, wirklich loszulassen und shin fuka toku zu erfahren. Versucht, kein Objekt zu erzeugen, dem ihr anhaftet.
Ein anderes Mondo zwischen Eka und Sosan, den zweiten und dritten Patriarchen, erhellt die gleiche Frage. Sosan, ein Leprakranker, war davon überzeugt, dass er aufgrund seines vergangenen Karma erkrankte. Viele Menschen, die an Krebs erkrankt sind, denken übrigens so wie Sosan, was ihrer Krankheit eine depressive Stimmung und ein Schuldgefühl hinzufügt. Sosan sprach mit Eka, der ihm einfach sagte: „Zeige mir dein vergangenes Karma:“ Aber dieses vergangene Karma war nicht fassbar. Eka sagte daraufhin: „Also bist du bereits von ihm gereinigt.“ Tatsächlich wurde Sosan von der Lepra geheilt und wurde der dritte Zen-Patriarch. Das Heilmittel war die Beobachtung der Leerheit.
Für viele erscheint diese Annäherung zweifelhaft zu sein. Würde ein Kranker einen Psychotherapeuten konsultierten, der wie Bodhidharma vorginge („Woran leiden sie? Zeigen sie mir ihr Leiden.“), wäre es nicht sicher, dass er dadurch erwachen würde, und das ist schade. Vielleicht vertrauen wir diesem Heilmittel nicht genug.
Um zur Leerheit zu erwachen, ersann Buddha geeignete Mittel . Und im Buddhismus entwickelte man Fähigkeiten, die nicht wirklich lindernde Mittel sind.
Ein Heilmittel angesichts der Gier ist zum Beispiel die Gabe, sich zu bemühen, Großzügigkeit zu praktizieren. Anstatt die Gier nach Schokolade frontal anzugreifen, kann man sie einfach anerkennen und sagen, ich esse später davon. Oder man verteilt sie an alle. Das Mittel gegen Hass, gegen Feindseligkeit ist, Wohlwollen und Mitgefühl zu praktizieren. Dies kann einem etwas scheinheilig vorkommen. Manch einer meint, es wäre besser, natürlich zu bleiben und zu sagen, was er denkt. Aber Hass löst sich nicht durch Hass auf, im Gegenteil. Aggressive Menschen verursachen Aggressivität um sich herum, so wie in einem Ehestreit. Aber um angesichts des Hasses Wohlwollen praktizieren zu können, muss man verstehen, aus welchem Grund man den anderen hasst oder verabscheut. Oft verabscheuen wir Menschen, die Aspekte von uns selbst äußern, die uns nicht gefallen. Eine Maßnahme gegen diesen Hass ist, seine eigenen bonno anzuerkennen. Es geht nicht darum, nachsichtig zu werden, sondern zu akzeptieren, dass man diese bonno hat, ohne sie zu unterdrücken. Wer also sieht, wie sich die eigenen bonno bei jemand anderem äußern, kann durch diese Identifizierung fast Zärtlichkeit empfinden, anstatt Hass oder Geringschätzung zu verspüren. Dies eröffnet die Bewegung des Wohlwollens und unterbricht den Teufelskreis.
Die Unwissenheit kann durch Beobachtung und Klarheit, also durch unsere grundlegende Praxis aufgelöst werden. Alle Phänomene des Lebens sind Gelegenheiten, sich selber kennen zu lernen und das Dharma zu empfangen. Unsere Praxis besteht darin, für alle Unterweisungen des Lebens empfänglich zu werden, nicht nur für Sutras. Für den, der wirklich von bodai shin, dem Geist des Erwachens, erfüllt ist, sind alle Phänomene genjo koan. Sie zeigen auf eine tiefe Wahrheit und können uns helfen zu erwachen. Die Zazen-Praxis macht unseren Geist empfänglich für diese Unterweisung der Phänomene. Sie helfen uns, die Unwissenheit, die eine der grundlegenden Ursachen von bonno und Leiden ist, aufzulösen. Dies wird im dritten Gelübde ausgedrückt: hommon muryo seigan gaku, zahllos sind die Pforten des Dharma . Sie zu studieren ist auch eine Gelegenheit zu erwachen. Verpassen wir nicht die Gelegenheiten, die sich ergeben.
Im Zen hat man im Allgemeinen einen einfachen und radikalen Ansatz, um bonno zu begegnen. Es fängt bei der Konzentration an. Unser Geist wird nicht von Regungen, Wünschen oder Gefühlen mitgerissen und bleibt völlig im Hara zentriert. Er ist fähig, vorbeiziehen zu lassen. Aber das reicht nicht aus, weil auf diese Weise die Wurzel der bonno nicht durchtrennt wird. Die bonno werden nur harmloser, weil man genug konzentriert ist, um ihnen nicht zu folgen. Der Buddha hat immer gesagt, dass die Konzentration, das Samadhi, nicht das wahre Erwachen sei, welches sich aus dem Verständnis, aus der Weisheit ergibt.
Der Ansicht Buddhas folgend unterweist man im Zen, dass die bonno durch Weisheit aufgelöst werden und durch die Beobachtung von ku, der Leerheit des Egos,das uns in seine bonno treibt, und der Leerheit der Objekte, die man aufgrund seiner bonno verfolgt.
In dem berühmten Mondo zwischen Dogen und seinem Meister Nyojo über shin jin datsu raku, Körper und Geist aufgegeben, was die Essenz des Zazen ist, sagte Nyojo: „Wenn man auf diese Weise Zazen praktiziert, sind die fünf Begierden, die fünf Hindernisse durchtrennt.“
Die fünf Begierden sind die Begierden, die auf die fünf Sinne bezogen sind. Sie beziehen sich aber auch auf Sex, Besitz, Reichtum zum Beispiel, Nahrung, Ruf und auf Schläfrigkeit. Die fünf Hindernisse sind Gier, Wut, Schläfrigkeit, Zweifel und Bedauern. Diese fünf Begierden und fünf Hindernisse werden durchtrennt durch die Meditationspraxis, die Konzentration und Beobachtung und folglich Weisheit umfasst. Dies ist die Essenz der Zen-Unterweisung über die bonno.
Etwas weiter zitierte Nyojo ein Mahayana-Sutra über die berühmte Frage über bonno soku bodai, die bonno sind direkt Satori, die Dogen beschäftigte. Nyojo präzisierte eine für uns wichtigen Umstand: Der Buddha unterwies Menschen, die viele Begierden und Hindernisse hatten, also bonno. Für sie war das Aufgeben dieser bonno das Nirwana, das Erwachen. Aber den Menschen, die sich an das Erwachen, das Nirwana klammerten, was schlimmer ist, als sich an seine bonno zu klammern, unterwies er, dass die bonno selber das Nirwana oder das Erwachen seien. Buddhas Absicht ist immer therapeutisch und an seine Gesprächspartner angepasst. Wer viele Begierden hat und von Sex, Geld oder Macht besessen ist, dem wird gelehrt, dass sie die Ursache seiner Leiden sind und dass er sie daher aufgeben sollte. Hat er aber all diese bonno aufgegeben und ist danach besessen vom Nirwana, vom Satori, ist sein Heilmittel anders. Man würde ihm zu verstehen geben, dass diese bonno Leerheit sind und sich folglich nicht vom Nirwana, vom Satori unterscheiden. Es ist eine gefährliche Unterweisung, die sich nicht an Menschen wie uns richtet. Wenige von uns sind vom Nirwana, vom Erwachen besessen, aber es gab sie in Buddhas Sangha, in der viele Asketen zu Arhats werden wollten. Buddha lehrte sie, dass die bonno auch Satori waren, was zeigt, dass die Unterweisung, wie auch das Heilmittel, immer den Personen angepasst wird. Ein Heilmittel kann für einen Kranken sehr gut sein und den anderen vergiften.
Ein anderes Sutra von Buddha Shakyamuni behandelt ebenfalls Mittel gegen bonno, das Mulapariyaya-Sutra, „Alle Hindernisse“. Dieses Sutra gehört zum Majjhima Nikaya, der mittleren Sammlung. Es sind Theravada-Sutras. Das Mulapariyaya ist das zweite in der Sammlung. Mit seinem Titel „Alle Hindernisse“ sind alle bonno gemeint. In diesem Sutra beschreibt der Buddha alle bonno nicht nach ihrer Art sondern entsprechend ihrer Heilmittel. Buddha nimmt hier den Platz eines Meisters und Therapeuten ein, der allen Wesen helfen will, ihre Leiden zu lösen. Eine bestimmte Anzahl von Hindernissen, von bonno, werden hier beschrieben.
Die ersten sind die bonno, die durch das Erkennen besiegt werden können, das heißt durch die Weisheit, die rechte Beobachtung. Es sind die Gedanken, die alle Begierden in Gang bringen oder vergrößern. Oder aber die, die die Unwissenheit steigern oder den Wunsch nach Dasein, danach weiter zu existieren unter den aktuellen Umständen. Es sind auch alle vergeblichen Gedanken, wie zum Beispiel folgende Fragen: Existierte ich in der Vergangenheit vor meiner Geburt? Was war ich in vorherigen Leben? Was wird aus mir nach meinem Tod? Oder auch, Wer bin ich? Für Buddha sind dies unnütze Fragen. Die Zen-Meister haben ihre Schüler oft gefragt: Wer bist du? Vorhin hatte ich an die Frage von Eno an Nangaku erinnert: Wer kommt da? Eno hatte diese Frage gestellt, um Nangaku begreiflich zu machen, dass sie vergeblich war. Und auf diese Weise erwachte er, nachdem er sieben Jahre über diese Frage meditiert hatte. Am Ende erkannte er, dass er sie nicht beantworten konnte. Und diese Unmöglichkeit, auf die Frage „Wer bin ich?“ zu antworten, hat seinen Geist für das Erwachen geöffnet. Diese Unmöglichkeit hat kein Bedauern hervorgerufen, sondern im Gegenteil eine große Befreiung. Was ich bin, ist unfassbar und es bleibt nichts anderes zu tun als sich damit zu harmonisieren. Daraus wird Erwachen.
Die Zen-Meister benutzen koan. Buddha lehrte direkt, dass es vergebens wäre, sich damit zu beschäftigen, dass man nicht seine Zeit mit koan verlieren sollte. Bezüglich dieser Hindernisse, die durch Überlegungen und Fragen, die man sich stellt, überwunden wurden, gelangt man durch Antworten, die man durch einen unglücklichen Umstand gefunden hat, zu irrigen Schlussfolgerungen. Zum Beispiel, dass man eine ewige Seele, ein atman hat oder auch, dass man es nicht hat. Diese Art von metaphysischer Antwort ist für Buddha ein bonno, eine Illusion, die er „Dschungel der Meinungen“ nannte. Für Buddha ist die Anhaftung an metaphysische Begriffe ein großes bonno. Man klammert sich an Begriffe und Konzepte, was zu einem Hindernis auf dem Weg zur Befreiung wird. Das Mittel gegen diese Hindernisse ist die Meditation über die Vier Edlen Wahrheiten, die ermöglicht, sich von der Illusion des Egos und vor allem vom Zweifel zu befreien. Menschen, die Antworten auf metaphysische Fragen suchen wie „Wer bin ich?“, „Wo war ich vor meiner Geburt?“, „Was wird aus mir nach meinem Tod?“, sind immer von Zweifel erfüllt. Anstatt sich auf eine richtige Praxis zu konzentrieren, die sie hier und jetzt befreit, verlieren sie sich in Spekulationen.
Die zweite Art von Hindernissen können durch die Kontrolle der Sinne geheilt werden. Es geht nicht darum, seine Empfindungen, sein Verlangen oder seine Gefühle abzuschaffen, sondern fähig zu sein, sie so zu kontrollieren, dass man sie vorbeiziehen lassen kann und sich nicht automatisch bei der ersten Regung mitreißen lässt. Genau das machen wir in Zazen. Gleich welche bonno oder Gedanken während Zazen aufsteigen, man bleibt unbeweglich vor der Wand sitzen. Ohne es zu merken, verinnerlicht man diese Fähigkeit, mit seinen bonno in Berührung zu sein, ohne von ihnen eingenommen zu werden. Das ist eine große Freiheit, denn es bedeutet, dass wir es nicht nötig haben, das in uns abzutöten, was mit Regungen oder Verlangen zu tun hat. Es ist nicht nötig unsensibel zu werden. Allein geht es darum, sich dessen bewusst zu werden in dem Moment, wo es erscheint, damit man sich nicht auf impulsive Weise mitreißen lässt und keine Handlungen vornimmt, die ein beschwerliches und schmerzhaftes Karma für sich und die anderen erzeugen.
Weiter gibt es Hindernisse, die durch guten Gebrauch besiegt werden müssen, was konkreter ist. In den meisten Sutras, die zu uns gelangt sind, spricht Buddha zu den Mönchen, weil es die Mönche sind, die die Sutras weitergegeben haben. Aber viele Lehren Buddhas an Laien, die diese Frage behandeln, sind verloren gegangen und nicht übermittelt. Für einen „guten Gebrauch“ darf Kleidung nur dazu benutzt werden, um seine Blöße zu bedecken und sich vor Kälte oder vor der Sonne zu schützen und nicht als Zierde, um auf sich aufmerksam zu machen oder aus Eitelkeit. Kleidung darf nicht zu einer Ausschmückung des Egos werden. In diesem Sinn ist das Kesa das beste Gewand.
Dann kommt die Nahrung, die nur dazu benutzt werden sollte, um den Körper gesund zu halten und um zu ermöglichen, ein Leben in Harmonie mit dem Weg zu führen. In diesem Sinn sprach er vom guten Gebrauch der Bleibe. Jeder braucht ein Dach über den Kopf, um sich vor den Gefahren der Jahreszeiten zu schützen und einen geeigneten Platz im Haus zum Meditieren. Das Haus darf keinen überhöhten Lebensstandard ausdrücken. Zuletzt dürfen Medikamente nur dazu benutzt werden, um gesund zu bleiben. Buddha war absolut gegen Doping! Ginseng ist zum Beispiel ein gutes Mittel, wenn man müde ist, aber er sollte nicht als Aphrodisiakum eingenommen werden, um das Verlangen zu stimulieren und nicht um gesund zu bleiben.
Andere Hindernisse werden durch Ausdauer besiegt, wie Hitze oder Kälte. Heute heizen wir im Winter und schaffen Kühle im Sommer, aber zur Zeit Buddhas war dies kaum möglich. Das führt zur Unterweisung von Tosan, den man fragte, welches der Ort wäre, an dem es weder warm noch kalt ist. Tosan hatte geantwortet: „Es ist der Ort, an dem einem völlig warm ist, wenn es warm ist, und an dem einem völlig kalt ist, wenn es kalt ist.“ Diese Unterweisung Tosans bezog sich nicht nur auf warm und kalt sondern auch auf Leben und Tod. Er regt an, völlig eins zu sein mit dem gegenwärtigen Moment, hier und jetzt völlig zu akzeptieren. Wenn man im gegenwärtigen Augenblick eins ist mit der Wärme, trauert man nicht der Kühle nach und die Wärme wird viel weniger dramatisch. Der Vorgang ist der gleiche mit Knieschmerzen während Zazen. Wenn man sich mit den Knieschmerzen herumschlägt, verstärkt man den Schmerz. Eins werden mit dem Knieschmerz entdramatisiert das Schmerzempfinden. Eine Aufzählung der Hindernisse, die durch Ausdauer besiegt werden: Hunger, Durst, Bremsen, Mücken, Wind, Sonne und auch verleumderische und kritische Gespräche sowie körperliches Schmerzempfinden und Krankheiten. Der Buddha rät, all das mit Weisheit zu betrachten und geduldig auszuhalten. Er fasst zusammen: „So erscheinen die repressiven und brennenden Hindernisse nicht mehr.“ Dies heißt nicht, dass diese Phänomene verschwinden, aber je nachdem, wie man ihnen gegenübertritt, stellen sie kein Hindernis mehr dar. Früher machte man in der Gendronnière draußen Zazen und abends wurde man von Mücken gestochen. Einige Personen wehrten sich gegen die Mücken, ihr Gesicht verzog sich und wurde wütend. Sie erlebten ein höllisches Zazen. Aber wenn man die Mücken stechen ließ, indem man ihn in gewisser Weise sein Blut anbot, wurde der Stich akzeptiert und sehr schnell achtete man nicht mehr drauf. Er war immer noch da, stellte aber kein Hindernis mehr dar.
Andere Hindernisse können durch Vermeidung besiegt werden: zornige Tiere, Schlangen, Dornen, Abgründe, sich auf unsachgemäße oder zu luxuriöse Sitze niederlassen, schlechte Orte wie Amüsierbetriebe meiden und Freundschaft mit würdelosen Menschen schließen. Der letzte Punkt ist sehr wichtig, vor allem für Anfänger. Ein Bodhisattva kann im Gegensatz dazu mit Gaunern verkehren, denen er vielleicht helfen kann, weil er stark genug ist, um sie zu beeinflussen. Ein Anfänger täte besser daran, sich mit guten Freunden zu umgeben, die einen guten Einfluss auf ihn ausüben und ihn nicht von der Zazen-Praxis ablenken.
Andere Hindernisse müssen vermieden werden, indem man sie abwehrt: es sind unsere eigenen Gedanken wie Böswilligkeit, Hass und Gier.
Die letzte Kategorie umfasst die Hindernisse, die mit der spirituellen Entwicklung besiegt werden müssen. Sieben Praktiken werden als die wesentlichen Bestandteile angesehen, die zum Erwachen führen. Es sind die sieben Faktoren des Erwachens:
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Die erste Praxis ist die Aufmerksamkeit. Im Leben entstehen viele Hindernisse und ärgerliche Fehler durch mangelnde Aufmerksamkeit. Im Zen sprechen wir eher von der Konzentration, die ein grundlegender Faktor des Erwachens ist.
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Der zweite Faktor ist die Prüfung des Dharma, des Gesetzes. Das machen wir in den Workshops, wo wir die Unterweisungen studieren und über sie nachdenken.
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Der dritte ist die Energie, eine der Paramita (shoji): die Anstrengung, die Fähigkeit, sich auf die rechte Praxis zu konzentrieren, mit seiner Konzentration nicht nachzulassen und weiterzumachen. Das ist das gyoji beim Sesshin zum Beispiel.
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Der vierte Faktor des Erwachens ist die Freude. Meister Deshimaru war oft fröhlich, wie es oft auch Mönche und Nonnen sind. Ryokan war fröhlich. Diese Freude entsteht aus der Tatsache heraus, dass man sein Karma erleichtert hat, so als hätte man eine schwere Last abgelegt. Man fühlt sich leicht, befreit.
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Der fünfte ist die Ruhe: weg von der Aufregung, nicht zu viele Wünsche haben, zufrieden mit dem sein, was man hat, konzentriert sein. Mit der Energie bildet sie die letzten Unterweisungen von Buddha und Meister Dogen vor ihrem Tod. Man nennt sie im Zen die acht Satori des großen Menschen.
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Der sechste Faktor ist die Konzentration, die im Wesentlichen die Zazen-Praxis ist.
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Der siebte Faktor des Erwachens ist der Gleichmut. Gleichmut ist sehr wichtig, denn wer zu sehr vom Leiden belastet wird, hat es schwer, ein Leben als Bodhisattva zu führen. Einige fragen sich, ob es gut ist, weiter mit Zazen zu machen, wo es doch so viel Unglück in der Welt gibt. Diese Frage wird oft im Mondo gestellt. Wenn man alle Leiden der Welt betrachtet, die in den Medien widerhallen, neigt man dazu verstört zu werden und sich schuldig zu fühlen. Der Gleichmut ist folglich grundlegend. Er wird auch benötigt, um Leidende pflegen zu können, denn zu viel Empathie ist hinderlich für die Pflege. Alle Therapeuten kennen das.
Warum habe ich dieses Sutra erwähnt? Um zu zeigen, dass Shakyamuni in seiner ursprünglichen Unterweisung enorm viele geeignete Mittel aufwendet, um allen Wesen zu helfen. Im Zen neigt man dazu, kompromisslos und auf eine Sache konzentriert zu sein. Für einige ist Zazen das Heilmittel für alles. In gewisser Weise stimmt das, aber in vielen Fällen ist es weder weise noch geeignet. Man kann vielen leidenden Menschen Zazen nicht als einzige Lösung empfehlen. Selbst wenn es im Grunde wahr ist, hilft man diesen Leuten in diesem Moment nicht. Buddha wandte einen Fächer voller sehr verschiedener und der Situation entsprechender Mittel an, um bonno zu heilen.
Um unser Bodhisattva-Gelübde bonno mujin seigandan (ich gelobe, alle bonno zu überwinden) zu erfüllen, ist es gut, auf unsere Zazen-Praxis zentriert zu sein. Aber es ist auch nützlich, die Unterweisungen Buddhas zu studieren, die uns andere Mittel anbieten.
All diese Heilmittel sind aus der Weisheit hervorgegangen, die selber aus Zazen kommt.
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